Das Aktionsforum Telematik im Gesundheitswesen – ATG

Eine im Oktober 1996 von der Bundesregierung an das Beratungsunternehmen Roland Berger vergebene Studie, die die Bedeutung der Telematik im Gesundheitswesen beleuchtete, kam zu zwei wesentlichen Ergebnissen:
  1. Die flächendeckende Einführung von Telematikanwendungen werde durch technische Probleme behindert. Diese Probleme seien – bei entsprechenden (verbands)politischen Rahmensetzungen – lösbar.
  2. Es fehle an einer politischen Übereinkunft: Die Interessen der verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen würden stark divergieren; es bedürfe der Integration, um eine gemeinsame Zielorientierung herzustellen.
Die zentrale Empfehlung der Roland-Berger-Studie war daher die Einrichtung einer Konsensplattform, auf der alle relevanten Akteure des Gesundheitswesens sich auf Anwendungen verständigen sollten.
Das ATG ist vor diesem Hintergrund 1998 unter dem Dach der GVG als Initiative der Selbstverwaltung beschlossen, 1999 offiziell gegründet worden und hat sich im Laufe der folgenden Jahre zur Plattform der Debatte und konsentierten Entwicklung von Telematik konsolidiert. Mit seiner Arbeit hat das ATG von seiner Gründung bis zum Ende des Jahres 2004 die wesentlichen Grundsteine für die Implementierung telematischer Applikationen im deutschen Gesundheitssystem gelegt.

Arbeitsweise und Zielorientierung des ATG standen dabei ganz in der Tradition der federführenden Gesellschaft. Beteiligt am Aktionsforum waren neben den genannten Mitgliedern der GVG Institutionen (als Gäste) und Personen aus Industrie, Forschung, Ministerien (BMGS und BMBF) und anderen Einrichtungen. In der GVG – so die einhellige Meinung im Umfeld des Initiativbeschlusses 1998 – sei das ATG bestens platziert und bereits kurzfristig arbeitsfähig.

Das auch für das ATG geltende Konsensprinzip war gleichermaßen seine Stärke wie auch eine ständige Herausforderung. Es hat bisweilen lange gebraucht, um zu belastbaren Aussagen zu kommen. Aber diese im Konsens entstandenen Aussagen und Handlungsempfehlungen konnten dann als solide Ergebnisse den weiteren Prozess orientieren und auf diese Weise Telematikmeilensteine in den sich anschließenden Diskussionen und Entwicklungen werden. Sichtbarstes Ergebnis wird die in § 291a SGB V vorgeschriebene neue elektronische Gesundheitskarte sein, die wesentlich im Rückgriff auf die geleisteten ATG-Vorarbeiten konzipiert werden konnte.

Das von den im Gesetz benannten Vertragspartnern der Selbstverwaltung unter Einbeziehung der PKV am 17. März 2004 eingerichtete vorläufige Projektbüro – protego.net: Projekt Telematik der Gesundheitsorganisationen – konnte sich bei seiner Aufgabe sehr wesentlich auch auf die im ATG vorbereiteten Implementierungsschritte stützen. Im Januar 2005 ist das Interimsprojektbüro protego.net durch die Betriebsorganisation gematik – Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte gGmbH – mit Sitz in Berlin offiziell abgelöst worden. Träger sind – wie bei protego.net – die für die Implementierung zuständigen und im Gesetz benannten Organisationen.

Die das ATG tragenden Organisationen setzten es sich von Beginn an zum Ziel, durch einen sektorenübergreifenden Einsatz moderner Informationstechnologie in ausgewählten Bereichen des Gesundheitswesens die Qualität der medizinischen Versorgung zu optimieren, patientenorientierte Angebote zu verbessern und Wirtschaftlichkeitspotentiale im Gesundheitssystem zu erschließen. Ziel und Aufgabe war es, ein weiteres Auseinanderstreben der entstehenden IT-Lösungen zu verhindern, indem mit den zuständigen Akteuren aus Selbstverwaltungen und Privaten Krankenversicherung die optimalen Lösungswege herausgearbeitet und dann als im Konsens vereinbarte Vorgehensweisen den zuständigen Gremien der Beteiligten vorgeschlagen wurden. Die durch die Politik gesetzten Rahmenbedingungen sind hierbei ebenso berücksichtigt worden wie die Konzepte und das Know-How von Industrie und Wissenschaft. Die hierzu erforderlichen Festlegungen im Konsens zu erarbeiten und zu publizieren beschäftigte alle Gremien und Arbeitsgruppen des ATG als herausragende Aufgabe. Diese Maßnahmen bilden nach wie vor die Grundlagen für die nachhaltige Verbesserung der Verfahrensabläufe und Datenlage im Gesundheitssystem, insbesondere zur Verbesserung der kooperativen und patientenorientierten Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen.

Das ATG ist in den Jahren 1998 bis 2004 die nationale Konsensplattform der Selbstverwaltungsorganisationen und der privaten Krankenversicherung zur Vorbereitung von Entscheidungen für die übergreifende Implementierung ITgestützter Verfahren im Gesundheitswesen gewesen. Es hat die zur Erreichung dieser Ziele notwendigen Kompetenzen und objektivierenden Verfahren gebündelt, um so die erforderlichen Maßnahmen bis zur Ausführungsreife zu bringen. Gleichzeitig sind Fehl- oder Doppelinvestitionen in nicht zukunftsfähige IT-Lösungen unterbunden und die Kräfte auf kompatible, interoperable Verfahren konzentriert worden.

Temporär eingesetzte Teams des ATG haben zur Gestaltung von konkreten Routineanwendungen im Informations- und Kommunikationsprozess des Gesundheitswesens Handlungsempfehlungen entwickelt. Sie haben den Trägerorganisationen als Basis für Beschlüsse und zur gemeinschaftlichen Positionierung gegenüber der Politik gedient.

ATG-Arbeitsschwerpunkte

  • Konsensarbeit in den Gremien und Arbeitsgruppen
  • Erarbeitung von Managementpapieren
  • Herausgabe aktueller Strategiepapiere
  • Durchführung von Workshops und Expertenkonferenzen
  • Kontakt mit Wissenschaft und Industrie
  • Veranstaltung der eHealth-Kongresse einschließlich der Bearbeitung und Herausgabe der Proceedings
  • Abstimmung mit Ministerien und regionalen Initiativen
  • EU-Koordination
  • Informationsdrehscheibe auch im ATG-Internetauftritt

Aus der Analyse und Evaluation der vorgängigen Erfahrung ergab sich dann für das ATG eine konkrete Agenda aus Abstimmungsarbeit, Erarbeitung von inhaltlichen Positionen und Maßnahmen der Information und Akzeptanzbildung.

ATG-Gremien

  • ATG-Strategiegipfel (Vorstände, Geschäftsführungen)
  • Vorbereitungs- und Steuerungskreis (z. B. Telematikbeauftragte, Abteilungsleiter)
  • ATG-Teams (Referenten, Experten)
  • ATG-Forum (Vertreter aller kooperierenden Verbände auf Bundesebene aus Industrie und Wissenschaft)
  • GVG-Ausschuss Telematik im Gesundheitswesen (Mitglieder der GVG – virtuell)
  • Telematik-Kongress (breite Öffentlichkeit)
In den Mittelpunkt der Arbeit der entscheidenden Gremien Ausschuss und Strategiegipfel war nicht „Technik“ gestellt, sondern „Gesundheitspolitik“. Zu dieser Gestaltungsperspektive gehörte es auch, Transparenz über die Ziele von Telematik und die Optionen ihres Einsatzes, über Konsens und auch Dissens hinsichtlich dieser Themen herzustellen. Die Arbeiten hatten als Resultat – wo immer möglich – gemeinschaftliche Empfehlungen an die Selbstverwaltung und den Gesetzgeber. Der Vorbereitungs- und Steuerungskreis (VSK) hat die Arbeiten koordiniert, die Ausschuss- und Strategiegipfelsitzungen vorbereitet und die eingesetzten Teams gesteuert. Als Informationsdrehscheibe diente er dazu, relevante Telematikentwicklungen aus den einzelnen Häusern und Sektoren auszutauschen und darauf aufbauend gemeinsame Positionen, Strategien und Sprachregelungen abzustimmen.